Während viele Industrieländermärkte zunehmend mit Rezessionsängsten zu kämpfen haben, hat China einen Weg zur Erholung eingeschlagen – zumindest vorerst, schreibt Marcus Weyerer, Senior ETF Investment Strategist EMEA beim Investment Manager Franklin Templeton, in einem aktuellen Marktkommentar. So habe der FTSE China 30/18 Capped Net Index um rund 18 Prozent zugelegt und übertrifft damit seit Jahresbeginn die globalen, US-amerikanischen, europäischen und breiten Schwellenländermärkte.
Trotz dieses Stimmungsumschwungs sei China laut Weyerer noch nicht über den Berg. Kurzfristig gesehen verlangsame sich die Konjunktur in China immer noch, und die Anleger sehen sich weiterhin mit unsystematischen Risiken konfrontiert, die auf anderen Märkten nicht zu finden sind, vor allem mit unkontrollierter Regulierung und dem Zero-Covid-Ansatz.
Vom bisherigen Tiefpunkt am 15. März 2022 bis zum 28. Juni 2022 haben chinesische Aktien rund 26 Prozent zugelegt. Diese Rally werfe die Frage auf, wie viel Dampf unabhängig von den Fundamentaldaten noch übrig ist? Während der globalen Finanzkrise 2008 verloren chinesische Aktien 75,4 Prozent vom Höchststand bis zum Tiefststand. Um dies wieder auszugleichen, mussten sie also rund 307 Prozent zulegen. Die Rückgänge in den Jahren 2016 und 2018 betrugen minus 41,6 Prozent und minus 31,6 Prozent und erforderten daher Gewinne von 71,2 Prozent beziehungsweise 46,2 Prozent, um die alten Höchststände zu erreichen, so Weyerer. Die Zeitrahmen waren sehr unterschiedlich, aber letztendlich wurden diese Höchststände erreicht, und dann übertroffen.
Weyerer: „Unter der Annahme, dass die Zukunft die Vergangenheit in irgendeiner Form wiederholen wird, bedeutet dies, dass der Drawdown 2021 bis 2022 einen Anstieg von 110 Prozent gegenüber dem Tiefpunkt erfordert, um ein neues Allzeithoch zu erreichen. Wir befinden uns derzeit am Tag 76 der Erholung (das heißt nach dem Tiefpunkt). Zu diesem Zeitpunkt können wir feststellen, dass chinesische Aktien nur knapp ein Viertel des ,erforderlichen‘ Weges zurückgelegt haben (26 Prozent/110 Prozent = 24 Prozent). Das ist weniger als nach dem Tief von 2018 (33,5 Prozent), aber mehr als nach den Rückgängen von 2008 und 2016 (18 Prozent beziehungsweise 21 Prozent). Dies deutet darauf hin, dass der Markt zumindest kurzfristig ein wenig Luft holen dürfte, bevor er seine Erholung fortsetzen kann. Etwas weiter in die Zukunft blickend zeigt sich dann aber, dass der Markt während früherer Erholungsphasen ein Jahr beziehungsweise 262 Handelstage nach dem Tiefpunkt jeweils bereits zwischen 40 und 56 Prozent des Weges zurückgelegt hatte.“
Wenn das Tief vom 15. März der Tiefpunkt war, müsste die Erholung auf Kurs sein und mit früheren Episoden im Einklang verlaufen, meint Weyerer. Die gute Nachricht sei, dass die Entwicklungen der vergangenen drei Monate das Vertrauen gestärkt haben, dass der Markt gerade dabei ist, einen dauerhaften Boden zu bilden. Die Risiken seien nach wie vor hoch und reichen von geopolitischen bis hin zu wirtschaftlichen und gesundheitlichen Unsicherheiten, aber die Bewertungen in China seien weiterhin attraktiv und deuten darauf hin, dass ein gewisses Maß an schlechten Nachrichten bereits eingepreist ist.
„Auch wenn der Markt derzeit vielleicht etwas zu schnell gestiegen ist, scheinen die Aussichten angesichts der Lehren aus der Vergangenheit vielversprechend. Wenn die fundamentalen Nachrichten weiterhin von negativ auf neutral und vielleicht sogar positiv umschlagen, könnten die Aussichten für chinesische Portfolios in starkem Kontrast zu den Portfolios der Industrieländer stehen, die zunehmend das Risiko einer US-Rezession einpreisen. China scheint sich an einem ganz anderen Punkt des Zyklus zu befinden“, so Weyerer abschließend. (DFPA/JF1)
Franklin Resources Inc. ist eine börsennotierte Investmentgesellschaft mit Sitz in San Mateo (Kalifornien/USA), die global unter der Marke Franklin Templeton Investments tätig ist. Das 1947 gegründete Unternehmen beschäftigt über 11.000 Mitarbeiter weltweit und verwaltet ein Vermögen in Höhe von 1,5 Billionen US-Dollar für private und institutionelle Anleger.