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Alles stand still

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Von den Brandanschlägen auf die Bahn waren in Dresden Tausende betroffen. Bei manchen schwieg sogar das Telefon. Großraumstörung steht auf der elektronischen Anzeigetafel. Und: „Der Zugverkehr wurde eingestellt.“ Das ist Horror für die meisten Fahrgäste, gerade an einem heißen Montagvormittag. So endeten Reisen abrupt in Dresden oder konnten erst gar nicht starten. Denn in der Landeshauptstadt ging nichts mehr. Die Stellwerke, die den Zugverkehr im Hauptbahnhof und in Dresden-Neustadt steuern, waren ausgefallen. Die Folge: Chaos, viele Fragen an die Bahn-Mitarbeiter und Fahrgäste, die nach Lösungen suchten.

Ursache für das Chaos waren mehrere Brandanschläge auf Bahnanlagen im Großraum Leipzig. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gab es Probleme im Zugverkehr, wie ein Sprecher der Bundespolizei mitteilte. Das Operative Abwehrzentrum (OAZ) der sächsischen Polizei übernahm die Ermittlungen. Es besteht der Verdacht, dass es sich um extremistische Straftaten handelt.

Nach Angaben der Bundespolizei wurden seit 2.40 Uhr Brandanschläge auf Kabelschächte und elektronische Stellwerke der Bahn im Raum Leipzig verübt. „In einigen Fällen konnten Brandvorrichtungen unschädlich gemacht werden, bevor sie Schaden anrichteten“, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. Auch in Hamburg, Berlin und Dortmund gab es am Montagmorgen Brände an Bahnstrecken. Im Tagesverlauf stellte sich heraus, dass es sich um insgesamt 13 Angriffe handelte.

Nach Angaben der Bahn mussten Reisende und Pendler unter anderem auf den Strecken Dresden-Leipzig und im Großraum Dresden mehr Zeit einplanen. Die S-Bahnen fuhren in der Stadt gar nicht und ab dem Stadtrand nur vereinzelt, die S1 etwa ab Reick nach Schöna. Es handelte sich aber nur um einen einzigen Zug. Auch ab Klotzsche gab es am Vormittag vereinzelt Züge, die zum Beispiel nach Kamenz fuhren. Fernverkehrszüge wurden umgeleitet.

Das überraschende Reise-Aus traf in Dresden Neustadt auch die kleine Vierergruppe, zu der Lisbeth Vogel gehörte. „Jetzt sitzen wir da und warten erst mal“, sagte die 76-Jährige. Sie hatte es sich mit ihrem Mann und den Freunden aus Norddeutschland vor dem Bahnhof im Schatten mehrerer Bäume bequem gemacht. „Die Bahn kann ja nix dafür, wenn solche Idioten Mist machen“, meint die Seniorin aus der Ostlausitz.

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Die „Idioten“, von denen die Hoyerswerdaerin sprach, könnten militante Linksextremisten gewesen sein. Dafür spricht unter anderem ein Bekennerschreiben, das auf der Internetplattform „linksunten.indymedia.org“ aufgetaucht ist. Dort bekannte sich eine Gruppe mit dem Namen „Shutdown G20 – Hamburg vom Netz nehmen“ zu den Brandanschlägen. Mit der Parole „Shut Down G-20“ mobilisieren Autonome seit Monaten zu Protestveranstaltungen gegen den Gipfel, der am 7. und 8. Juli stattfindet und bei dem auch US-Präsident Donald Trump auftreten soll. Die Berliner Polizei prüft, ob das Bekennerschreiben wirklich echt ist. Es „passe ins Raster“, hieß es am Montag aus Sicherheitskreisen.

Die Bahn reagierte im Hauptbahnhof mit Notfallmanagern, die zusätzlich zu den Mitarbeitern im Reisezentrum und in der Auskunft versuchten, den Fahrgästen mit Rat und Tat zu helfen. In Dresden-Neustadt gab es diese zusätzliche Hilfe nicht.

Bei Lisbeth Vogel war der Ärger über die unfreiwillige Reisepause schnell verflogen. Sie konnte auf Verwandschaftshilfe bauen. Wolfgang Hartmann, der Neffe ihrer Husumer Freundin, kam mit einem Kleinbus aus dem ostsächsischen Spreetal nach Dresden, um die kleine Reisegruppe an die Nordsee zu fahren. „Ich habe bei meinem Arbeitgeber in der Nähe von Cottbus gefragt, ob ich einen Tag freimachen kann“, erzählte der 56-Jährige. „Dann bin ich eineinhalb Stunden hierher gefahren.“ Kurz nach 10 Uhr machte er sich mit dem Quartett im Auto auf den Weg. Sieben Stunden hin, sieben Stunden zurück, rechnete Wolfgang Hartmann.

Unterdessen gab es am späten Vormittag von Jörg Puchmüller, dem Sprecher der Länderbahn, erste Entwarnungsmeldungen. „Die elektronischen Stellwerke Dresden-Neustadt und Dresden-Hauptbahnhof sind seit 10.30 Uhr wieder in Betrieb“, berichtete Puchmüller. Die Trilex-Züge könnten wieder fahren, allerdings noch nicht durchgehend nach Fahrplan. Erst am Nachmittag kamen auch von der Deutschen Bahn erste positive Meldungen. Demnach konnte die S1 kurz nach 13 Uhr wieder fahren, auch der Regionalexpress von Dresden nach Hoyerswerda war wieder im Einsatz. Das galt auch für den RE 50 zwischen Leipzig und Dresden, wenn auch mit Verspätungen. Wann alle Züge wieder planmäßig fahren, konnte die Bahn noch nicht sagen.

Parallel zu den Fahrgästen bekamen auch Telefonkunden von Vodafone Auswirkungen der Brandanschläge bei Leipzig zu spüren. Denn in den Kabeltrassen der Bahn liegen auch Leitungen für Festnetz- und Mobilfunkverbindungen des Düsseldorfer Unternehmens, teilte Sprecher Volker Petendorf mit. Sie wurden bei den Brandanschlägen ebenfalls beschädigt. Etwa 14 000 Privat- und Geschäftskunden in Mitteldeutschland waren betroffen, sagte Petendorf. Die Instandsetzungsarbeiten wurden noch am Montagnachmittag gestartet. Wann Vodafone-Kunden wieder störungsfrei telefonieren und im Netz surfen können, sagte Petendorf nicht.

Quelle: Sächsische Zeitung (www.sz-online.de)

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